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Wissenschaftler kritisieren Staudammprojekte an der Vjosa

Wissenschaftler aus Albanien, Österreich und Deutschland fordern Moratorium für Kraftwerkspläne an Europas letztem Wildfluss und ein 3-jähriges Forschungsprojekt. Vom 8. bis 10. Juni 2016 kamen in Albanien internationale Experten der Universität Wien, des österreichischen Umweltbundesamtes, des Leibniz-Institutes für Gewässerökologie und Binnenfischerei (Berlin) mit Wissenschaftlern aus Albanien zusammen, um über die Zukunft der Vjosa zu diskutieren. Sie verabschiedeten ein gemeinsames Forderungspapier, das an das albanische Umweltministerium übergeben wurde. Die Vjosa gilt als der letzte Wildfluss Europas außerhalb Russlands. Sie fließt auf 270 Kilometer Länge fast frei von technischen Verbauungen, ihr Flussbett ist bis zu 2 Kilometer breit. Aus Sicht der Wissenschaftler ist das Flusssystem der Vjosa weitgehend unerforscht. Die albanische Regierung hat kürzlich den Bau eines Großkraftwerks an dem Wildfluss beschlossen. Das Projekt "Poçem" mit einer 25 Meter hohen Staumauer würde einen der wertvollsten und noch völlig unerforschten Flussabschnitte überfluten. Dagegen wollen nun die Wissenschaftler aus Albanien mit den Wissenschaftlern aus Österreich und Deutschland gemeinsam vorgehen. In einem gemeinsamen Memorandum fordern sie die albanische Regierung auf: 1. Wir fordern, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen für sämtliche Wasserkraftprojekte streng nach EU-Standards erfolgen; 2. Wir empfehlen dringend ein 3-jähriges Moratorium für sämtliche Bauvorhaben an der Vjosa und ihren Zuflüssen; 3. Die unterzeichnenden Wissenschaftler aus Albanien, Österreich und Deutschland fordern die Durchführung eines interdisziplinären Forschungsprogramms zur Untersuchung und Bewertung des Flusssystems der Vjosa. Dieses soll von albanischen und internationalen Wissenschaftlern gemeinsam durchgeführt werden. Zusammen mit weiteren Kollegen werden sich die unterzeichnenden Wissenschaftler um die internationale Finanzierung eines 3-jährigen Forschungsprogramms bemühen. Die albanischen Wissenschaftler äußerten massive Kritik vor allem an der von der Regierung vorgegebenen Qualität der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Zuge der Kraftwerksplanung. "Die Umweltprüfungen in Albanien sind in der Regel nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. Unser Wissen über die Flora und Fauna sowie über die Geschiebesituation an der Vjosa ist zu gering, um eine seriöse UVP durchzuführen. Es fehlt an Wissen, an Forschung", so Professor Aleko Miho von der Universität Tirana. "Die albanische Regierung sollte als EU-Beitrittskandidat unbedingt ein UVP-Verfahren nach EU-Standards durchführen. Wir würden die albanische Regierung dabei gerne unterstützen", so Robert Konecny vom Österreichischen Umweltbundesamt. "Die Vjosa ist das letzte verbliebene große Wildflusssystem Europas außerhalb der Arktis. Der Fluss sollte aus gesamteuropäischer Sicht unbedingt erhalten bleiben. Wir sollten zusammenarbeiten, damit hier nicht dieselben Fehler passieren, die wir in der Vergangenheit an unseren Flüssen in Deutschland, Österreich und so weiter gemacht haben", so Dorktor Martin Pusch vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Aus diesen Gründen fordern die Wissenschaftler aus Albanien, Österreich und Deutschland ein 3-jähriges Moratorium von Baumaßnahmen an der Vjosa, um in dieser Zeit ein umfangreiches Forschungsprogramm durchführen zu können. "Wir haben an der Vjosa die einzigartige Möglichkeit, ökologische Zusammenhänge von weitgehend ungestörten Flusssystemen zu erforschen. Sie ist ein Naturlabor, das dringend benötigte Erkenntnisse für Renaturierungen an anderen europäischen Fließgewässern liefern kann. Die Vjosa ist von gesamteuropäischer Bedeutung", so Professor Friedrich Schiemer von der Universität Wien. Das Memorandum "Research requirements for a sustainable development of the Vjosa River corridor" vom Juni 2016 und eine Pressemitteilung sind online abrufbar.

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